Der „Turm zu Babel“
Der Bibel gemäß (Gen. 11:1-9) gab es einmal auf der „ganzen Erde nur eine Sprache“. Aber wegen des Stolzes des Menschen begannen sie einen Turm zu bauen, um den Himmel zu erreichen, was Gott zornig machte, und deshalb, „verwirrte er die Sprache auf der ganzen Erde...“ (V. 9)
Diese neun Verse sind typischer „ätiologischer“ Mythos, d. h. eine Geschichte, die erfunden wurde, um zu erklären, warum etwas so und so ist, so wie Kindergeschichten z. B. „Wie der Leopard seine Flecken bekam“, „Warum ist das Meer salzig?“, „Warum ist der Himmel blau?“ usw. heißen. Es gibt eine ganze Reihe anderer ätiologischer Geschichten in der Bibel, wie die Geschichte, die erklärt, warum eine Schlange keine Beine hat (Gen. 3) oder warum wir nach einem Gewitter einen Regenbogen sehen (Gen. 9:13-16).
Der Punkt ist: Die Geschichte vom Turm zu Babel ist einfach nur eine Geschichte, ein Mythos, eine ätiologische Fabel. Sie erklärt nicht mehr den Ursprung der vielen Sprachen der Welt wie die Bestrafung Satans erklärt, warum Schlangen keine Beine haben.
So wie Wissenschaftler das wunderschöne Phänomen des Regenbogens erklären können, indem sie die Gesetze der Optik anwenden (die zweifellos lange vor Noahs Zeit existierten), so können Sprachwissenschaftler zeigen, dass viele Sprachen der Menschheit lange vor der Zeit existierten, die dem Turm zu Babel zugeordnet werden kann (Mormonen glauben, dass die Jarediten um 2000 v. Chr. ihre Reise nach Amerika unternahmen.). Kein achtbarer Sprachgelehrter akzeptiert heute die Turm-zu-Babel-Geschichte als eine Erklärung für die Vielfalt der Sprachen, für ihren Ursprung oder für das Datum ihres Ursprungs. Die einfache Tatsache ist, dass es in vielen Teilen der alten Welt (China, Mesopotamien, Ägypten) Schriften in gänzlich voneinander verschiedenen Sprachen gibt, die sich auf 1000 Jahre vor der angeblichen Zeit des Turmes datieren lassen. Diese unwidersprochene Tatsache zeigt, dass die Babel-Geschichte nur ein Mythos ist. (Siehe z. B. den Artikel „Hamito-Semitic Languages“ in The Encyclopedia Britannica, 15. Ausg., Macr 8:592ff, der die Daten des ersten Auftretens dieser Sprachen aufführt: Akkadianisch 3200 v. Chr., Kanaanitisch, Ugaritisch, Amoritisch 3000 v. Chr.)
Aber es sind nicht nur die Sprachen der ganzen Welt, die angeblich ihren Ursprung beim Turm zu Babel haben, sondern auch alle Völker der Welt (Gen. 11:8-9)! In anderen Worten: Um die Geschichte vom Turm als buchstäblich und historisch akzeptieren zu können, muss man glauben, dass es damals keine anderen Völker auf der Erde gab. Solch ein Glaube steht im Widerspruch zu allem, was wir über die frühen Perioden der Menschheitsgeschichte wissen.
Sollten Mormonen behaupten, dass es den Turm zu Babel deshalb früher gegeben haben muss als 2200 v. Chr., haben sie das Problem, dass Ether 1:6-33 die Generationen von Jared (der den Turm verließ) bis zum letzten Jarediten auflistet, und da gibt es nur 28 Generationen. Der letzte überlebende Jaredite (siehe Omni 1:21) lebte immer noch einige Zeit nach der Ankunft der Mulekiten in Amerika um 600 v. Chr.. Um 28 Generationen zwischen 2200 v. Chr. und ca. 600 v. Chr. zu berücksichtigen, musste die durchschnittliche Generation schon 60 Jahre auseinander liegen. Um die „Verwirrung der Zungen“ um 1000 Jahre (oder mehr!) vorzuverlegen (um den Chinesen, Ägyptern und Sumerern bei ca. 4000 v. Chr. Rechnung zu tragen) müsste jeder jareditische Vater, der in der Genealogie aufgelistet ist älter als 120 Jahre gewesen sein, bevor er sein ältestes Kind zeugte.
Beachten Sie auch, dass sich unter den „jareditischen“ Generationen, die in Ether 1 aufgelistet sind, zwei hebräische Namen befinden, „Aaron“ (1:15-16) und „Levi“ (1:20-21). Und der Name „Ephraim“ erscheint in Ether 7:9. Man muss sich fragen, wie solche hebräische Namen in Amerika auftreten konnten, da die Jarediten kein Hebräisch sprachen, sondern eher eine Sprache, die nicht verwirrt worden war.
Die meisten Christen (außer die fundamentalistischen/evangelisch Unbeirrbaren) können die mythische Natur der Geschichte vom Turm zu Babel akzeptieren. Sie können sie als Gleichnis lesen, als eine Lektion über den menschlichen Stolz. Aber Mormonen müssen (und sie tun es auch) sie als buchstäblich und historisch akzeptieren.
Ausgiebigere Erörterung des Problems mit dem Glauben an den Turm zu Babel, finden Sie hier im entsprechenden Abschnitt im Artikel „[Mormons's] Conflict with Science“.
weiter