Eine linguistische Betrachtung des Buches Mormon
Bemerkungen zu linguistischen Problemen im Mormonismus
von Richard Packham
(übersetzt von Manfred Trzoska)
Erste Veröffentlichung am 20. April 2003
Letzte Überarbeitung am 11. August 2008
Einleitung – Wie dieser Artikel entstand
Mein Interesse an Sprache im Allgemeinen und an Fremdsprachen im Besonderen begann, als ich ein Kind war. Als ich in der High School war, nahm ich Unterricht in jeder Fremsprache, die die Schule anbot (Latein und Spanisch), und als ich das College begann, fuhr ich mit diesem Studium mit der Absicht fort, Sprachlehrer zu werden. Ich fuhr mit Spanisch fort und lernte auch Französisch und Deutsch, machte meinen Abschluss mit Deutsch als Hauptfach und Spanisch und Englisch als Nebenfächer. Meinen Magister der Künste machte ich in Deutsch, wonach ich (Latein, Deutsch und Englisch) zu lehren begann. Während jener Zeit studierte ich auch Russisch. Damals hatte ich die Gelegenheit auf einem Doktor in historischen und vergleichenden Sprachwissenschaften hinzuarbeiten und ich verbrachte vier Jahre an einer Universität und lernte Angelsächsisch, Altisländisch, Gothisch, Sanskrit, klassisches Griechisch, Alt- und Mittelhochdeutsch, wie auch das ausgeweitete Studieren vergleichender und historischer Sprachmethodik. In den Jahren danach habe ich auch Mandarin-Chinesisch, Esperanto und Hebräisch studiert und mir eine Lesekenntnis von Niederländisch und Italienisch erworben. Während meiner Lehrerkarriere von 35 Jahren verwendete ich vergleichende Linguistiktechniken im Klassenzimmer. Ich habe entdeckt, dass meine Kenntnis und Erfahrung mit dem Phänomen der Sprache mir irgendwie eine ungewöhnliche Perspektive zum Mormonismus verleiht.
Dieser Artikel führt meine eigenen Beobachtungen wie auch die Kommentare anderer zusammen. Einige dieser Probleme sind gut bekannt, aber einige habe ich nie zuvor erörtert gesehen. So weit ich weiß, ist der Mormonismus nirgendwo sonst allein vom linguistischen Standpunkt her kritisiert und sind alle linguistischen Probleme an einer Stelle gesammelt worden.
Die Bedeutung von Sprache im Mormonismus
Joseph Smith Jun., der Gründer des Mormonismus, war ebenfalls von Anbeginn seiner Karriere an von Sprache fasziniert. Er wuchs in einer Kultur auf, die an volkstümliche Magie und an die Mächte von Sprache und mystischen Wörtern glaubte. (Siehe D. Michael Quinns Early Mormonism and the Magic World View (2. Ausg.) und John L. Brookes The Refiner's Fire.) Sein allererstes Abenteuer mit religiösen Dingen war eine angebliche Übersetzung von goldenen Platten, die ihm (so sagte er) von einem Engel übergeben wurden und in einer bis dahin unbekannten Sprache („reformiertes Ägyptisch“) geschrieben waren, und er behauptete, sie durch die Macht Gottes übersetzen zu können. Als er später die Kirche gründete, fügte er neben den Titeln und Mächten des Oberhauptes seiner Kirche noch den eines „Übersetzers“ hinzu:
„[Der Präsident der Kirche]... soll ein Seher, Offenbarer, ein Übersetzer und ein Prophet sein und alle Gaben Gottes haben, die er auf das Oberhaupt der Kirche überträgt.“ [Hervorhebung von mir]. (Lehre und Bündnisse [LuB] 107:92, siehe auch LuB 21:1)
Während Joseph Smith während seiner Karriere als Oberhaupt einer wachsenden Kirche Zutrauen gewann, war er weiterhin von Sprachen fasziniert, und er fuhr damit fort, zu übersetzen. Obwohl er behauptete, (als Oberhaupt der Kirche) die göttliche Macht zum Übersetzen anderer Sprachen (ohne sie eigentlich studiert zu haben) zu besitzen, brachte er beträchtliche Mühe auf, andere Sprachen auf die gewöhnliche, ungöttliche Art zu studieren. Er heuerte Lehrer in Hebräisch an und studierte moderne Sprachen wie Deutsch. Gelegenlich stellte er seine angebliche Kenntnis über Fremdsprachen zur Schau, wie sein „Aufruf an die freien Männer des Staates Vermont“, bei dem er seine sprachliche Fähigkeit demonstrierte, indem er in siebzehn verschiedenen Sprachen schrieb (zitiert in Fawn Brodie, No Man Knows My History: The Life of Joseph Smith, S. 292).
Zusätzlich zum Buch Mormon fertigte er mehrere andere „Übersetzungen“ an:
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Das Buch Abraham, von einigen ägyptischen Papyrusrollen, die 1835 in seinen Besitz gelangten. Er erklärte, dass die Schriftrollen vom biblischen Abraham „eigenhändig“ geschrieben wurden. Smiths Übersetzung wird jetzt von der HLT-Kirche als Teil der Köstlichen Perle als Heilige Schrift akzeptiert. Smith produzierte auch eine „Ägyptische Grammatik“, die auf seiner Übersetzung basierte. Die Schriftrollen sind authentische ägyptische Schriftrollen und sind jetzt im Besitz der Mormonenkirche. Eine zur „Abraham“-Rolle begleitende Schriftrolle wurde von Smith als das „Buch Joseph“ identifiziert, der nach Ägypten verkauft worden war (Gen. 37). Smith kam nie dazu, diese Rolle zu „übersetzen“, und kein Mormonenprophet – nicht einmal diejenigen, die angeblich das göttliche Amt des „Übersetzers“ trugen – hatten es versucht. (Mehr darüber unten.)
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Die „Inspirierte Version“ der King-James-Bibel, auch „Joseph Smith Translation“ (JST) genannt. Smith sagte, dass ihm von Gott geboten wurde, die Bibel neu zu übersetzen, weil die vorhandenen Übersetzungen Fehler enthielten (Siehe LuB 45:60-61, 90:13). Er stellte seine Übersetzung 1833 fertig, aber die Kirche benutzt immer noch die King-James-Version. Obwohl Smith sie eine „Übersetzung“ nannte, zog er tatsächlich keine hebräischen oder griechischen Texte zu Rate, sondern überarbeitete einfach die King-James-Version.
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Die „Kinderhook-Platten“, eine Gruppe von sechs Metallplatten mit fremdartig eingravierten Schriftzeichen, die 1843 in der Nähe von Kinderhook, Illinois, aus der Erde geholt und von Smith untersucht wurden, der eine „Übersetzung“ von ihnen begann. Er brachte die Übersetzung nie zu Ende, aber er übersetzte genug, um die Platten als „antiken Bericht“ zu identifizieren und den Autor als „einen Nachkommen Hams durch die Lenden Pharaos, des Königs von Ägypten“ zu identifizieren. Ansässige Farmer enthüllten später, dass sie die Platten selbst als einen Schwindel hergestellt, eingraviert und vergraben hatten. (Siehe History of the Church 5:372-378, wo der Autor seine Echtheit verteidigt [!]. Und siehe unten über „Pharao“ als den Namen des ägyptischen Königs.)
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Ein „Pergament“, vom Jesusjünger Johannes (dem „geliebten“) geschrieben und von ihm „versteckt“. Dieses erscheint in LuB Abschnit 7. Smith behauptete nicht, dass er das Pergament tatsächlich besaß, aber er war dennoch in der Lage, es zu „übersetzen“. Der Mormonengelehrte Hugh Nibley führt dieses Kunststück als Beweis dafür an, dass es für einen Propheten Gottes nicht notwendig ist, das eigentliche Original vor sich zu haben, um es zu übersetzen. Obwohl diese „Übersetzung“ 1833 im Buch der Gebote veröffentlicht war, und ihr gesamter Inhalt von Gott als „korrekt“ bestätigt wurde (LuB 1:6, 67:4), war sie, als sie 1835 in Lehre und Bündnisse (LuB) neu veröffentlicht wurde, wesentlichen Änderungen unterzogen worden.
Obwohl jeder Präsident der Mormonenkirche angeblich alle Vollmacht und Mächte hat, die Gott Joseph Smith gewährt wurden (Lehre und Bündnisse 107:92) hat es keiner von ihnen gewagt, die göttliche Macht des Übersetzens auszuüben.
Sogar gewöhnlichen Mitgliedern der Kirche wurden sprachliche Gaben verheißen, die alte „Gabe der Zungen“, durch die der Gläubige in Sprachen sprechen konnte, die sie nicht kannten, und Aussagen anderer auslegen konnte, die in fremden Sprachen sprachen (LuB 46:25-26, 109:36). Aus den frühen Tagen des Mormonismus werden viele Beispiele von „Zungenreden“ berichtet. In modernen Zeiten scheinen die Mormonen damit zufrieden zu sein, diese „Gabe“ in der Tatsache zu sehen, dass ihre Missionare erfolgreich Fremdsprachen studieren, um in der Lage zu sein, in anderen Ländern zu predigen.
Einige weitere vorläufige Betrachtungen
„Durch die Macht Gottes übersetzt“
Wenn Gott tatsächlich damit zu tun hat, Übersetzungen durch seine erwählten Diener zu liefern, und wenn Gott insbesondere solche Diener als „Übersetzer“ berufen hat, kann man annehmen, dass Gott damit einen Zweck verfolgt und dass der Zweck offensichtlich darin bestehen muss, der Menschheit wichtige Botschaften zu überbringen. Es kann Gottes Absichten nicht dienlich sein, wenn diese Übersetzer tatsächlich unfähig sind, akkurate Übersetzungen von dem heiligen Material zu liefern. Mit Sicherheit werden die Übersetzungen akkurat und verlässlich sein, wenn Gott hier am Werk ist. Die Schwachheit oder die Unfähigkeiten des Menschen können das Werk eines allmächtigen Gottes nicht vereiteln, würde man denken. Und LuB 3:3 wiederholt diesen Gedanken:
„Bedenke, Bedenke, dass es nicht Gottes Werk ist, das vereitelt wird, sondern das Werk von Menschen.“
Man sollte also annehmen dürfen, dass Gott ein Meister aller Sprachen der Welt ist und dass wir, wenn wir Falschübersetzungen oder Unwissenheit über die Bedeutung der Wörter vorfinden, oder die Unfähigkeit, einen Gedanken akkurat auszudrücken, es nicht mit einer Botschaft von Gott zu tun haben, sondern mit einer Botschaft von jemandem, der nur behauptet, für Gott zu sprechen.
Die Mormonen werden wahrscheinlich als Entschuldigung für solche Fehler die Passage des Buches Mormon (BM) anführen, die sagt (Mormon 8:17): „Und wenn Fehler darin [in diesen Berichten] sind, dann sind es Fehler von Menschen...“ Sie scheinen nicht zu merken, dass solch ein Zugeständnis unterstellt, dass jeder Fehler bedeutet, dass der Mensch – zumindest an jener Stelle – nicht von Gott inspiriert war.
Mormonenapologeten, die versuchen, sich mit den vielen Übersetzungsproblemen zu befassen, versuchen oft die Probleme zu entschuldigen und zu erklären, indem sie aufzeigen, wie Übersetzen eine nicht akkurate Kunst ist, wie schwierig es ist, wie sich Übersetzer durch die ungenaue Übertragung von einer Sprache in die andere verstricken. Dies ist alles wahr, wenn man eine Übersetzung in Betracht zieht, die von einem Übersetzer angefertigt wurde, der ohne göttliche Hilfe arbeitete. Aber keine dieser Entschuldigungen ist auf Joseph Smith anwendbar, der, obwohl er der „Übersetzer“ genannt wurde, angeblich als Sekretär Gottes handelte. Berichte über den Übersetzungsprozess, der das Buch Mormon hervorbrachte, beschreiben, wie die göttliche Macht ihn nicht eher eine Phrase weitergeben ließ, bis Gott sie als korrekt erachtete.
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